Hören, was geschrieben steht –
Das Literaturtelefon Kiel
Das Literaturtelefon Kiel präsentiert seit März 1978 Stimmen von Autor*innen, die Ausschnitte ihrer Texte am Telefon (0431-901-8888) und seit 2007 auch im Internet (www.literaturtelefon-kiel.de) lesen. Das Literaturtelefon Kiel wird betrieben von der Landeshauptstadt Kiel und kuratiert von dem Kieler Autor und Kulturjournalisten Jörg Meyer.
Mitte der 70er Jahre stieß der Kieler Literatur-Student Michael Augustin in London auf eine Zeitungsanzeige: „Dial a poem – Ruf ein Gedicht an!“. Diese Idee begeisterte den jungen Autor so sehr, dass er nach seiner Rückkehr gemeinsam mit dem damaligen Kulturdezernenten Dieter Opper ein ähnliches Projekt, das Kieler Literaturtelefon (damals hieß es noch „Kulturtelefon“) ins Leben rief. Der Idee folgten viele andere deutschsprachige Städte, aber heute ist das Literaturtelefon Kiel das letzte noch regelmäßig „sendende“ im deutschen Sprachraum. Früher jede Woche, seit 2007 im 14-tägigen Wechsel sind Autor*innen am Literaturtelefon Kiel und im stetig anwachsenden Audio-Archiv zu hören.
Zur Geschichte des Literaturtelefons Kiel
Das weltweit erste Literaturtelefon gründete in den späten 1960er Jahren John Giorno, ein US-amerikanischer Performance-Künstler und Poet. Er war Begründer des Künstler-Netzwerks „Giorno Poetry Systems“, prägte den Begriff des „Dial-A-Poem“, eines Experiments zur Untersuchung der Massenkommunikation, und zählte zu den Schlüsselfiguren der subkulturellen New Yorker Beatnik-Szene. Bekannt wurde Giorno durch Andy Warhols Experimentalfilm „Sleep“ (1963/64).
Das Literaturtelefon Kiel hatte viele Nachahmer in anderen deutschen Städten, aber die meisten gaben auf, als die Telekom die Literaturtelefone aus ihrem Ansageprogramm herausnahm, weil sie nicht genügend Geld einbrachten. Die Landeshauptstadt Kiel indes wollte ihren Bürger*innen dieses Kulturprogramm per Telefon erhalten. Seit dem Oktober 2001 betrieb das Kulturamt deshalb das Literaturtelefon in Eigeninititiative unter der städtischen Rufnummer 0431-901-8888. Die Ziele des Literaturtelefons damals wie heute: Förderung von Autor*innen durch Bekanntmachung ihrer Bücher, Förderung des Lesens durch Schaffung von Leseanreizen.
Viele deutschsprachige Autor*innen von Rang und Namen liehen dem Kieler Literaturtelefon seither ihre Stimme, darunter Günter Grass, Siegfried Lenz, Peter Härtling, Sarah Kirsch, Hans-Jürgen Heise und Feridun Zaimoglu.
16 Jahre, von 1991 bis 2007, wurde das Literaturtelefon von der Mitarbeiterin des Kieler Amts für Kultur und Weiterbildung, Angelika Stargardt, betreut, die z.T. noch Aufnahmen mit Tonband und nachträglichem Schnitt machte. Im März 2007 wurde das Literaturtelefon Kiel digital: Der Kieler Autor und Literatur-Event-Veranstalter Björn Högsdal, der unter dem Label assembleART.com die Formate „Poetry Slam“ und „Spoken Word“ in Kiel und darüber hinaus etabliert hat, Patrick Ruppert-Kruse, inzwischen Professor an der FH Kiel mit dem Arbeitsgebiet immersive Medien, sowie der Kieler Journalist und Autor Jörg Meyer brachten das Literaturtelefon Kiel ins Internet. Seit 2015 ist Jörg Meyer alleiniger Kurator des Literaturtelefons Kiel.
Im März 2018 feierte das Literaturtelefon sein 40-jähriges Bestehen. In einer gemeinsamen Lesung im Literaturhaus Schleswig-Holstein traten neben dem Gründer Michael Augustin mehrere Autor*innen auf, die z.T. bereits mehrfach am Literaturtelefon gelesen hatten.
Das Literaturtelefon verdankt viele seiner Aufnahmen Lesungen von Autor*innen im Literaturhaus Schleswig-Holstein. An dieser Stelle deshalb Dank für die gute und nun schon über ein Jahrzehnt andauernde Zusammenarbeit zweier Kieler Institutionen, die sich für die Literatur in und aus Schleswig-Holstein – und darüber hinaus – engagieren.
Ein fester Ort für das Literaturtelefon
Das Literaturtelefon Kiel wird auch in Zukunft sowohl über das „alte Medium“ Telefon als auch online zugänglich sein – zwei „flüchtige“ Orte. Um dem Format eine zusätzliche, dauerhafte, auch haptisch erfahrbare Präsenz zu geben, entwickelte das Kulturbüro der Landeshauptstadt Kiel im Jahr 2024 die Idee eines physischen Standorts.
Als räumliche Schnittstelle zwischen der analogen und digitalen Welt des Literaturtelefons schuf die Raumstrategin und Kuratorin Neele Marie Denker eine feste Installation in der Stadtbücherei Kiel im Neuen Rathaus. Ihr Entwurf vereint Intimität und Offenheit: Eine Nische, die an eine Telefonzelle erinnert, lädt Besucher*innen dazu ein, sich zurückzuziehen und die Inhalte des Literaturtelefons in Ruhe zu erleben.
Die Neu-Eröffnung des Literaturtelefons erfolgt am Samstag, 2. November 2024 im Rahmen des 150. Jubiläums der Stadtbücherei Kiel (Zentralbücherei im Neuen Rathaus, Andreas-Gayk-Str. 31). Zur Eröffnung zu hören – am Telefon, im Internet oder in der „Telefonzelle“ – ist ein Beitrag des bekannten Kieler Autors Feridun Zaimoglu.
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Das Literaturtelefon ist seit 1978 ein anrufbares, seit 2007 auch webbasiertes Projekt der Landeshauptstadt Kiel in Zusammenarbeit mit dem Kieler Kurator Jörg Meyer.
Im Auftrag des Kieler Kulturbüros konnte die Hamburger Raumstrategin Neele Marie Denker anlässlich des 150-jährigen Jubiläums 2024 eine feste Hörstation für die Zentralbücherei entwickeln und umsetzen.